1. Plastikmodellbauclub Nürnberg e.V.

 

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Modell und Fotos von Gerd Busse

 

 

 

Mit Bugfahrwerksverkleidung wie in Brandis; die Figur mit Fahrrad (Diotech, Art. Nr. 7201/1) lässt die Größe dieses Flugzeugs erkennen.

 

 

 

 

Junkers Ju 287 V1, Huma 1/72 plus diverse Änderungen

 

 

 

 


 

Historie:

Der Prototyp Ju 287 V1 beruhte auf einem pragmatischen Ansatz zur Erprobung einer schweren Düsenmaschine mit vorwärts gepfeilten Tragflächen und einer neuartigen Aufhängung der vier Turbinen. Um schnell zu einem Erprobungsträger zu kommen, wurden Rumpfsegmente zweier unterschiedlicher Flugzeuge aneinander gestückelt: Vorne He 177, Rumpfheck mit Leitwerk von der Ju 388. Da die Querschnitte unterschiedlich waren, wurde ein Übergangsstück eingesetzt, das in der Rumpfkontur von oben gesehen einen gut sichtbaren S-Schlag hat, der charakteristisch für die Ju 287 V1 ist.

Der Erstflug erfolgte am 16.8.44 in Brandis bei Leipzig. Nach 16 Flügen fand die weitere Erprobung in Rechlin statt, und zwar ohne Bugfahrwerksverkleidung, aber zeitweilig mit Wollfäden auf den Oberflächen zur Untersuchung der Strömungsverhältnisse mit einer Kamera.

 

Modell:

Wer ein Modell dieses futuristisch aussehenden Flugzeugs bauen möchte, könnte auf die Idee kommen, den Rumpf wie beim Original aus den Bausätzen von He 177 und Ju 388 zu stückeln. Diese plausible Überlegung wurde sehr bald verworfen. So blieb nur das Modell von Huma übrig, das schon einige Zeit auf dem Markt ist. Wer gerne teure Bausätze mit der Laubsäge bearbeitet, kann sich hier entfalten.

Nun zu den Etappen des ungewöhnlich mühsamen Weges zum fertigen und besseren Modell.

 

Rumpf:

Basierend auf einer Rumpflänge von 18,30 m sollte der Rumpf des Modells 25,42 cm lang sein.

Er ist aber deutlich länger, anscheinend auf eine andere Rumpflänge bezogen. Da die Tragfläche 9,2 cm von vorne beginnen soll, ist die Rumpfkürzung entsprechend zu planen:

5,5 mm vor den Tragflächen und 9,5 mm dahinter.

Außerdem ist der Rumpf um 1,2 mm zu dick, das ist von der Seite her nicht zu übersehen. Die nötige Verschlankung ließ sich durch Heraustrennen schmaler Längsstreifen zu erreichen.

Oben: An diesen Stellen ist zu kürzen; unten: gekürzt und mit vertikalen Schnitten versehen

 

Der Rumpf wurde aber noch weiter zersägt: Der erwähnte S-Schlag wird leider in vielen späteren Zeichnungen begradigt, an denen sich Huma vermutlich orientiert hat. Dieser Fehler sollte beim Bau dieses Modells ebenfalls behoben werden. Das geht natürlich nicht mehr am fertigen Rumpf, sondern nur vor dem Zusammenbau als Radikallösung an den beiden Rumpfhälften: Hinten wurden insgesamt 7 seitliche Einschnitte eingebracht, dann wurde die unbeschädigte Rumpfseite als Scharnier zum Ein- und Ausklappen der einzelnen Segmente verwendet. Die richtige Rumpfkontur wird unter Abzug der Wandstärke auf Sperrholz übertragen und in die Rumpfinnenseite mit Epoxidharz eingeklebt. Die dabei nach innen gezogenen Rumpfschalenbereiche ragen nun über die Mitte hinaus, sie werden abgeschnitten. Das ist eine sehr aufwändige Prozedur, es passt auch nicht gleich alles zusammen, und es ist viel Spachtelarbeit erforderlich. Die dicken Spachtelschichten sollte man nicht zu früh glatt schleifen, denn beim Trocknen entstehen immer wieder Einfallstellen. Erst nach einer Trockenzeit von 2 Monaten war in diesem Fall eine bleibende glatte Oberfläche erreicht. Dieser Aktion fallen viele Gravuren zum Opfer. Das macht nichts, denn sie sind ohnehin unrealistisch breit und teilweise falsch. Sie wurden überall mit Wachs zugespachtelt.

 
Oben: Formteil aus Sperrholz   Kontur nach Einkleben des Formteils in den geschlitzten Rumpf. Der Überstand wird entlang der roten Linie abgeschnitten.
 
Den Unterschied zwischen Ist- u. Sollverlauf der Rumpfseitenwand zeigt das Formteil aus Sperrholz   Der überarbeitete und fertig lackierte Rumpf.

 

Das Seitenleitwerk wurde durch eines aus dem Bausatz der Ju 388 ersetzt und das Ruder abgetrennt. Die Teilung der Höhenflosse erleichterte die Montage am fertigen Rumpf. Die Struktur hinter dem Spornrad ist vermutlich der Schnellablass wie bei der Ju 88.  

Leitwerkskomponenten. Ruder freigestellt. Reparaturstellen in RLM 02 wurden gemäß Photos angebracht.
     

Eine gutes Seitenfoto des Originals zeigte: Die Fenster hinter dem Cockpit und auch das kreisförmige Fenster sind im Modell wesentlich zu klein, sie wurden durch Feilen vergrößert.

Die Einstiegsluke endet unter dem geschlossenen Boden des Cockpits. Da die Luke geöffnet dargestellt werden sollte, wurde der Kabinenboden entsprechend eingeschnitten. Das gut einsehbare Cockpit wurde ähnlich einer He 177 neu gefertigt, die Instrumente teilweise mit Kabeln ergänzt, die von außen gut zu sehen sind.

Fertige Baugruppen für das Cockpit

 

Cockpit komplett ausgestattet

 

 

 

Vor dem Zusammenkleben der Rumpfhälften ist an den Ballast zu denken, damit das Modell auf dem Bugfahrwerk steht und sich nicht etwa auf sein Spornrad setzt. Das für das Blei notwendige Volumen findet sich erst hinter dem Cockpit. Wegen des kurzen Hebelarmes ist dann entsprechend mehr Blei fällig.

 

 

Tragflächen:

Die Tragflächengravuren sind nicht überall richtig. Die Auswertung eines Fotos aus der Produktion der Ju 287 liefert die Panelstruktur auf der Tragflächenoberseite.

Ein bekanntes Flugfoto von schräg oben zeigt  zugespachtelte Nieten und auch ein nur grundiertes Panel. Ein passend gebohrtes Lochblech als Schablone erlaubt eine schnelle und genaue Lackierung solcher Stellen mit RLM 02.

Die Querruder werden freigestellt und leicht ausgeschlagen dargestellt.

 

Korrigierte und gemäß Fotos lackierte Tragflächenoberseiten. Nietenreihen mit Lochschablonen in RLM 02 lackiert

 

Tragflächen nach der Montage am Rumpf; die Einschnürung am hinteren Rumpf ist gut erkennbar

Das Flugzeug hatte an beiden Tragflächenenden ein Staurohr: Links konventionell, rechts für die Erprobung ein Differentialstaurohr mit Vierfachanordnung. Es wurde aus 0,2 mm Draht gebogen und mit Epoxidharz auf einem 0,5 mm Stab befestigt.

 

Fahrwerk:

Über die beiden Bugfahrwerksbeine sollte man rechtzeitig nachdenken: Wer sich nicht darauf festlegen möchte, ob sein Modell der Zeit in Brandis oder in Rechlin entsprechen soll, kann Austauschbarkeit einplanen und hierzu in den Bug passende Röhrchen einkleben, in die beide Fahrwerksversion hineinpassen. Oben auf den beiden Verkleidungen („Hosenbeine“)  hinter dem Fahrwerksbein befand sich eine einstellbare Verbindungsstange, die die beiden Bugfahrwerke mechanisch koppelte.

 

 
Ju 287 V1 mit Startraketen und ohne Bugfahrwerksverkleidung wie sie bei der Erprobung in Rechlin flog

 

Bemalung:

Entgegen der Anleitung besteht die Tarnbemalung ganz sicher nicht nur aus RLM 71 und RLM 65: Zwischen den Turbinen unter den Tragflächen und teilweise unter dem Rumpf war schwarzer Wärmeschutzlack aufgetragen. Darauf befand sich hinter der vorderen rechten Turbine ein Thermofarbenmuster, das bis etwa an die Hinterkante der rechten Tragfläche reichte. Es wurde nach Fotos auf dem Rechner erstellt und als Abziehbild ausgedruckt, das gilt auch für die Markierung an den Rumpfseiten. Die mit Gunzefarben lackierten Oberflächen wurden vor der Montage des Modells unter kaltem Wasser mit feinem Schleifpapier mattiert und geglättet.

Auf den Tragflächen über den Turbinen sind hellere Rechtecke in Nietenreihen zu sehen, außerdem helle Stellen im Bereich einiger Ruderaufhängungen. Möglicherweise wurden hier Verstärkungen oder Reparaturstellen mit RLM 02 überlackiert.

Die Lackierung der vier Turbinen ist individuell unterschiedlich.

Fertiges Modell ohne Startraketen (stellt das Original nach der Landung dar), mit Differentialstaurohr und Thermofarbenmuster

 

Startraketen:

Neben dem fehlerhaften Rumpf sind die völlig falschen Startraketen das zweite große Ärgernis des Bausatzes: Beim Vergleich mit Startraketen auf Fotos fällt auf, dass die im Bausatz viel zu klein sind. Benötigt wird ein Durchmesser von 12 mm. Des Rätsels Lösung findet sich im Nowarra Bd 4 auf S. 121: Die üblichen Startraketen (z.B. für die Ar 234) waren die HWK 109-500, die für 30 sec einen Schub von 500 kp lieferten. Diese hätten der Ju 287 mit ihrer bis zu 20 t Startmasse kaum weitergeholfen. Die mit einem heißen System arbeitende HWK 109-501, die für 30 sec 1500 kp Schub erreichte, wurde in geringer Anzahl hergestellt und nur noch für die Ju 287 verwendet, wobei alle Fotos nur drei Raketen zeigen. Die Raketen des Huma-Bausatzes sind weder zu gebrauchen noch änderbar. Gemäß den bekannten Fotos, die dem Hersteller eigentlich nicht entgangen sein können, ist hier mühsame Eigenfertigung gefordert: Fallschirm aus Knetmasse, Raketenkörper aus Plexiglas, Gurte aus dünner Bleifolie.

Und nun die Ju 287 V1 mit Startraketen und ohne Bugfahrwerksverkleidung (das Fahrwerk ist austauschbar), also so, wie das Flugzeug bei der Erprobung in Rechlin flog.

Scratchbau der Startrakete HWK 109-501 (links). Größenvergleich zwischen der Startrakete HWK 109-500 des Huma-Bausatzes (rechts oben) und der wesentlich schubstärkeren HWK 109-501 (rechts unten).

Die Größe dieses Bombers wird auch im Vergleich zur ebenso motorisierten Arado Ar 234 C-3 (hier mit untergehängter E 381) deutlich:

 

Fazit:

Wer ein vorbildgetreues Modell der Ju 287 V1 haben möchte, verbringt viel Zeit damit, die vom Hersteller verursachten Fehler zu korrigieren. Leider gibt es derzeit keine Alternative zum alten Huma-Bausatz - aber es wäre Zeit, dass jemand ein besseres Modell herausbringt.

Bis dahin kann vielleicht dieser Bericht beim Bau eines besseren Modells helfen.

 

Danksagung:

Mein Kollege Prof. Dr. Ulrich Rist hat für mich mit großer Geduld alle Photos zusammengesucht, die als Information für den detailgetreuen Bau des vorgestellten Modells erforderlich waren. Das vorgestellte Ergebnis wäre ohne seine Hilfe nicht erzielt worden. Dafür danke ich ihm herzlich!