1. Plastikmodellbauclub Nürnberg e.V.
 
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Modell und Fotos von Gerd Busse
     
 

Bachem Ba 349 „Natter“  

Brengun in 1/72: Flugabwehrrakete BRP 72015  und Startgerüst BRS 72007
 
Das Original:
 
Das Original basierte auf einer plausiblen Idee: Es gab 1944/45 zwar erfolgversprechende Ansätze, um Raketen schnell auf die Höhe der Bomber zu bringen. Ungeklärt war aber der automatische Zielanflug auf die Bomber. Darum sollte beim Projekt „Natter“ ein Pilot an Bord die Endphase manuell steuern und eine im Bug untergebrachte Raketensalve in die Bomberformation abfeuern. Anschließend war die Natter wegen der geänderten Schwerpunktslage nicht mehr steuerbar, sie sollte automatisch zerlegt werden und in Teilen am Fallschirm zurückkehren.

Das Haupttriebwerk war das regelbare Raketentriebwerk Walter HWK 109-509 A- mit 70 s Brenndauer und maximal 1600 kp Schub, in der Startphase halfen vier abwerfbare Schmidding 109-533 mit je 1.200 kp Schub und 10 s Brenndauer. Technische Information findet sich z.B. in [1].

Vorbild dieses Modells ist die M17, also die 17. Mustermaschine, die einzige Natter mit dieser auffallenden Streifenbemalung. Da sie unbemannt flog, entfiel die Cockpitverglasung. Die fehlende Masse wurde durch ein zylindrisches Gewicht im Bug ausgeglichen. Die M17 startete am 29. Dezember 1944 um 12:34 Uhr [1] am Heuberg. Sie war mit Drallblechen an den Flächenenden versehen, die auf 22 Grad eingestellt waren. Im Deutschen Museum München ist ein 1:1-Modell der M 17 gezeigt, schöner als sein Vorbild. Fotos des Originals ([1], S. 58) belegen nämlich eine auffallende Asymmetrie: Rechts fünf schwarze Streifen, links sechs. Schriftbild auf den Höhenruderhälften rechts und links deutlich verschieden.

Etwa 30 Nattern wurden gebaut [1] und ab Dezember 1944 teilweise erfolgreich im automatischen unbemannten Flug getestet. Der erste bemannte Flug mit dem Prototypen M 23 am 1.3.1945 am Heuberg endete mit Absturz und dem Tod des Piloten Lothar Sieber.

 
    Natter M17: Umbau aus dem Bausatz gemäß Fotos des Originals: Kein Cockpit, aber mit Ballast (rot) am Bug.

 


 


 

Das Modell:    
     
Natter mit vorbildgetreuer Unsymmetrie im Streifenmuster und der Höhenleitwerksbeschriftung
 
 
  Der Bausatz BRP 72015 erlaubt den Bau eines unbedingt vorzeigbaren Modells. Letztlich wurden die M17 und die M 23 gebaut, weil sie so unterschiedlich bemalt waren. Die M 23 erhielt Staurohr und Haltegriff, beides durch Fotos belegt.

Die Bemalung wurde in beiden Fällen von Fotos der Originalflugzeuge auf Abziehbilder übertragen, wobei im Fall der M 23 die Farbgebung (grün auf RLM 76) nur auf Vermutungen beruht. Beim Streifenmuster der elfenbeinfarbig lackierten M17 ist zu beachten, dass die linke Tragfläche 6 Streifen und die rechte 5 Streifen hatte.

Das dem Bausatz beigefügte Aufbockgestell ist zwar ansprechend dargestellt (und kann durch Diagonalstreben aufgewertet werden), aber realistischer ist eine Startrampe. Zu den frühen Nattern, also auch M 17 und M 23, passt wegen des großen unteren Seitenleitwerks nur die große Startrampe aus der Erprobungsphase (BRS 72007), die den Plastikmodellbauer vor neue Herausforderungen stellt.

Die eine ist der Platzbedarf, denn die Rampe mit ihren 31,8 cm Höhe passt nicht mehr unbedingt in jede Vitrine.

Die andere ist die Struktur, die nur noch mit Ätzteilen machbar ist. Natürlich kann man die Messingteile mit Sekundenkleber oder Epoxidharz kleben. Zu bedenken ist aber, dass die fertige Rampe ein Gewicht von 80 g hat und dass man sie irgendwo anfassen möchte. Wegen des besseren Handlings wurden viele Teile gelötet, vor allem die, die Last tragen oder durch Biegen ausgerichtet werden sollen. Löten ist zwar nicht die beliebteste Verbindungstechnik des Plastikmodellbauers (und Messing ist nicht sein Lieblingswerkstoff…), aber sie lohnt sich hier, weil sie eine schnelle und dauerhafte Verbindung der Messingteile erlaubt, zugleich auch das problemlose Lösen der Verbindung. Erforderlich ist unbedingt ein feiner Lötkolben und Lötzinn mit 0,5 mm Durchmesser. Die Verwendung von Flussmittel ist wegen der besseren Benetzung sinnvoll, damit das Lötzinn nicht abperlt. Beim Löten sollte man sich die Reihenfolge der Montage gut überlegen. Mit Lötzinn wurden auch die herstellungsbedingten Spalte der L-Winkel geschlossen. Hier ist darauf zu achten, dass das Lot sauber fließt. Ein Feuerzeug war beim schnellen Erhitzen sehr nützlich.

Zur Erhöhung der Standfestigkeit der Startrampe wurden die beiden Kästen mit Bleikugeln (aus dem Modellflugbedarf) und Sand gefüllt und dann zugelötet.

Einige Streben wurden ergänzt, denn der untere Gestellbereich ist auf Fotos nicht erkennbar und somit vom Hersteller nicht vollständig wiedergegeben. Die im Bausatz dargestellte Struktur wäre im unteren Bereich zu wackelig, daher wurden zusätzliche Diagonalstreben nach Fotos oder eigenen Mutmaßungen eingefügt.

Unnötigen Zeitaufwand hat die Zuordnung der kleinen Ätzteil- Verstärkungen erfordert: Die Lage ist nur bei wenigen in der Anleitung zu finden, bei den anderen ist gezieltes Raten unter Zuhilfenahme von Fotos [1] angesagt.

Die Startrampe ließ sich um den Fuß, der unterhalb der Natter angebracht war, drehen. Dazu befanden sich zwei Räder unten an den Enden des großen Kastens. Diese sollten (entgegen der Bauanleitung) entsprechend dem Radius ausgerichtet werden. Die Räder im Bausatz haben 3 mm Durchmesser, nach Fotos wären 6 mm besser. Sie wurden daher in dieser Größe neu gefertigt.

Ein Detail: Um die Startbeschleunigung der Natter zu messen, waren in die Führungsschiene Kontakte eingebracht, die beim Start nacheinander von einem Schleifschuh unten im Seitenruder kurzgeschlossen wurden [1]. Diese Kontakte waren mit Kabeln verbunden, die im Gerüst verliefen. Leider sind sie auf keinem Foto zu erkennen. Daher wurde ihr Verlauf gemäß eigener Vermutung dargestellt. Es ist jedenfalls anzunehmen, dass die Kabel gegen die heißen Abgase gesichert am Startgerüst festgebunden waren.

Die Natter wurde vor dem Start mittels einer Hebekonstruktion in die Gleitschienen eingefädelt und auf die richtige Höhe gezogen und arretiert. Anschließend wurde das Hebezeug abgebaut und die Rakete gestartet. Am Modell dargestellt wurde die M 17 in der Hebevorrichtung. Das gespannte Seil wurde mit einem schwach gespannten hellen Gummifaden dargestellt. Die Halterung der Natter an den beiden Rumpfseiten ist im Bausatz zu groß dargestellt, denn sie deckt den Tankdeckel ab. Sie wurde also entsprechend gekürzt.

Die beiden Modelle M17 und M 23 sind auf der Rampe austauschbar. Hier wurde die M 17 dargestellt, weil sie mit den Kontraststreifen auf den Tragflächen und der Beschriftung des Höhenleitwerks gut dokumentiert ist.

Zusammenfassend: Brengun hat sich an ein Projekt gewagt, das dem Modellbauer viel abverlangt. Es stimmt gut mit Fotos überein und sollte in keiner Sammlung fehlen, die den Stand der Raketentechnik in der Zeit 1944/45 detailliert und zuverlässig darstellt.

Wer den alten Bausatz der Natter von Heller hat, wird bemerken, dass das Seitenleitwerk unten anders aussieht. Wer also das Heller-Modell auf der Startrampe präsentieren möchte, muss das untere Seitenleitwerk aus Scratch neu bauen.

Startgerüst mit Lötstellen und Ergänzungen. Messingkästen gefüllt mit Bleikugeln und Sand.    

Natter probeweise in unlackiertes Gerüst eingehängt Kontaktbrückendrähte zur Messung der Startbeschleunigung
Drehbares Startgestell mit Hebegeschirr. Es ist zu bezweifeln, dass diese Doppelwinde die Natter mit ihren 1,5 t Masse präzise anheben konnte. Vermutlich war zumindest eine weitere Untersetzung erforderlich.

 
Neue Seite: Fertiger Startturm mit Natter 17 und Modell Natter M 23
 
 

Literatur [1]: Lommel, H.: „Der erste bemannte Raketenstart der Welt. Geheimaktion Natter“. Motorbuch-Verlag Stuttgart.