Modellbau-ABC von Wilfried Eck

 
 
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Japanische Lacke - schlecht?

 

Kriegsschauplatz:

Japan hielt Mitte 1942 ganz Südostasien und stand nördlich von Australien, dem nächsten Angriffsziel. Japans Flugzeuge konnten allerdings nach dem Verlust von vier Trägern  bei Midway im Wesentlichen nur noch von Landbasen aus operieren.  Ein strategischer Nachteil, der bei den Kämpfen um Guadalcanal (Mitte 1942 - Mitte 1943) klar zu Tage trat. Nach dem Fall dieser strategisch wichtigen Salomoneninsel und den nicht unwesentlichen Verlusten an Mensch und Material befand sich Japan nurmehr in der Defensive.

Bedingt durch die beiderseitigen Strategien hatten sich zwei völlig unterschiedliche, weit auseinander liegende Kriegssschauplätze ergeben. Dem japanischen Heer standen auf Neuguinea das amerikanische Heer (verstärkt durch australische Einheiten), im pazifischen Ozean die beiden Marinen gegenüber. Heeresflieger flogen gegen Heeresflieger, Marineflieger gegen Marineflieger. Niemals konnte eine US-Marinemaschine auf einem Flugplatz des Heeres notlanden. Viel zu weit entfernt und weil des keines Flugzeugträgers bedurft hätte, wenn man von dort aus hätte starten können. Umgekehrt sahen Piloten einer Ki 43 Hayabusa bis 1945 nie eine F6F Hellcat (nur gegen Ende des Krieges, als Kamikaze).

s. hierzu auch "Kamikaze".

 

Lackierung japanischer Flugzeuge:

Ki 43 20. Hiko 25. Sentai

 

Mitsubishi Zero

Nakajima Ki 43 II, Zeichnung: Srecko Bradic

 

Mitsubishi A6M5c, Zeichnung: Srecko Bradic

Anstriche japanischer Flugzeuge komplett zu beschreiben, würde ein dickes Buch füllen. Welche Farben im Einzelnen zum Einsatz kamen wird dadurch erschwert, dass es in Japan keine zentrale Stelle gab, die die Farben normierte. Jeder Hersteller verwendete seine eigenen und variierte diese auch im Lauf der Zeit.

Des weiteren wird leider oft übersehen, dass sich Japan bei seinen Luftstreitkräften an den USA orientiert hatte. Heer und Marine hatten jeweils ihre eigene Luftwaffe, von gegenseitiger Aversion geprägt. Auch das Typ-Bezeichnungssystem entsprach dem amerikanischen. Heeresmaschinen erhielten  "Ki" und eine fortlaufende Nummer (ohne Unterscheidung Jäger, Bomber etc.),  die Bezeichnung von Marinemaschinen setzte sich zusammen aus Buchstaben, -Ziffer, Buchstabe, ggs. Ziffer Untervariante. "A6M5" bedeutete demnach: Bordgestützter Jäger, 6. von Mitsubishi bestellter Typ, 5. Variante..

 

Marine: Naturgemäß waren mit Ausnahme von mehrmotorigen Bombern Flugzeuge der Marineluftwaffe auf den Einsatz von Flugzeugträgern hin konzipiert. Diese mussten gegen Korrosion durch Salzwasser besonders geschützt werden. Zunächst erhielten die A5M ("Claude") zusätzlich zu ihrem Aluminium-Überzug ("Alclad") einen Anstrich aus Klarlack (der sich im Lauf der Zeit ins Bräunliche verfärbte). Da dies noch keine optimale Lösung darstellte, wurden A6M ("Zero") werksseitig mit einer (braunen) Grundierung und einem hellgrauen, ins grünliche tendierenden Anstrich versehen (Motorhaube schwarz). Aichi und Nakajima verwendeten sowohl Hellgrau über alles als auch grüne Oberseiten. Die am Anfang des Krieges sichtbaren farbigen Streifen am hinteren Rumpf und/oder Seitenleitwerk waren reine Formations- und nicht persönliche Kennzeichen.

Heer: Jäger des Heeres wurden bis weit in das Jahr 1944 in Naturmetall ausgeliefert. Da aber die alliierten Luftangriffe sehr schnell die Notwendigkeit einer Tarnung aufgezeigt hatten, behalf man sich vor Ort mit Improvisation. War ein Flugplatz von Palmen umgeben, lag es nahe, die Maschinen entsprechend anzupassen, die Kontur des Flugzeugs "aufzuweichen", sie dem jeweiligen Licht- und Schattenspiel  anzugleichen. Ergo nahm man zum Beispiel in grüne Farbe getauchte Palmwedel und klatschte diese auf alle Oberseiten. Oder etwas anderes. Übriggebliebene blanke Stellen waren also keine Lackschäden, sondern sehr wohl beabsichtigt bzw. durch das Verfahren bedingt. Bei Bombern fand sich sehr häufig ein dem Marineanstrich ähnliches werkseitiges Graugrün. Auch hier in der Regel über einer Grundierung.

Auch ohne genaue Typenkenntnis kann man Marine- und Heeresflugzeuge meistens leicht auseinander halten. Findet sich am Seitenleitwerk ein farbiges, meist recht kunstvoll ausgeführtes Symbol, war es eine Maschine des Heeres. Marinemaschinen führten am Seitenleitwerk lediglich eine Kennung aus Ziffern, mitunter mit davor gestelltem Buchstaben.  Dekorationen von Führungmaschinen nur anfangs.


Als auch Marineflugzeuge gezwungen waren, von Landbasen aus zu operieren, war man aufgrund der ständigen alliierten Angriffe auch hier zur Tarnung gezwungen. Die dunkelgrüne Farbe wurde nachträglich per Hand (auch per Spritzpistole) über dem ursprünglichen Hellgrau aufgetragen. Beispiel: Nachstehendes Foto einer A6M3.

A6M3

Genau betrachtet, beweist dieses Foto also nicht,  wie oftmals geglaubt wird,  Lackschäden, sondern das Gegenteil. Zu sehen ist ein ca. Mitte/Herbst 1943 (passt zeitlich zu A6M3) manuell  über dem ursprünglichen Hellgrau aufgetragener grüner Anstrich. Dafür spricht die fast unversehrte Motorhaube in Schwarz  (nur an den Halterungen kleine Abnutzungsspuren) und die weiterhin hellgrauen Kanzelstreben. Im Übrigen wäre nicht nachvollziehbar, weshalb ausgerechnet unmittelbar hinter der Motorhaube die meisten Kratzer/Farbabplatzer sein sollen, hinter dem Hinomaru aber so gut wie gar keine. Insbesondere die wellige Linie am unteren Kanzelrahmen spricht für einen unvollständigen nachträglichen Farbauftrag.

Spätestens ab Herbst 1943 wurde dann aber die Oberseitentarnung ausnahmslos ab Werk (!) über dem Hellgrau (insgesamt drei Lackschichten!) aufgebracht. Später verzichtete man auf die vorherige Komplettlackierung in Hellgrau und brachte das Grün gleich auf die Grundierung auf. Die gegen Kriegsende vereinzelt auftauchenden Maschinen mit blanken Unterseiten spiegelten weniger ein neues Farbschema, sondern allenfalls Hast und/oder Farbmangel wieder.

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Beispiel für eine Ki-44 des Heeres:

Ki-44

Es sieht so aus, aber es handelt sich hier keineswegs um umfangreiche Lackschäden!

Helle Stellen sind nur am Rumpf, ab Cockpit bis hin zum Seitenruder. Am Seiten- und Höhenleitleitwerk sowie ab Windschutzscheibe nach vorne und auf den Tragflächen ist die Farbe noch vollständig erhalten. Dass die Farbe nur am hinteren Rumpf lückenhaft ist (zum Seitenleitwerk schön abgegrenzt), ergäbe nur dann einen logischen Sinn, wenn zweierlei Farben - eine gute und eine schlechte - verwendet worden wären. Was auch nicht gerade nahe liegt. Die andere Erklärung, am hinteren Rumpf sei die Beanspruchung eben höher gewesen, vermag auch nicht besonders zu überzeugen. Was sollte insbesondere zum Rumpfrücken zu da geschabt haben? - Falls dennoch Zweifel bestehen: Warum ist der Lack des "hinomaru" einwandfrei?

Ergo: Wie üblich,  manuell aufgetragene Farbe. Am Rumpf, um die Konturen der Maschine etwas "aufzuweichen" lückenhaft.

 
Ki 44 Shoki beim Anlassen. Gleichmäßige Verteilung von Naturmetall und Farbe.

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Zusammenfassend und etwas verallgemeinert: 

Japanische Farben zu erforschen, wird durch die fehlenden bzw. verloren gegangenen Unterlagen erschwert. Die pauschale Behauptung,  japanische Lacke seien von schlechter Qualität gewesen, ist jedoch durch nichts bewiesen. Das Gegenteil ist richtig. Japanische Lacke waren, wie aus Fotos und aufgefundenen Wracks ersichtlich, durchaus widerstandsfähig. Vereinzelte, von den Amerikanern unsanft behandelte Schrottmaschinen am Flugplatzrand sollte man nicht als repräsentativ ansehen.

Marineflugzeuge (Bezeichnung: Buchstabe/Ziffer/Buchstabe, z.B. A6M) hatten aufgrund ihrer werkseitigen Grundierung und eines sehr widerstandsfähigen Lacks in der Regel einen kompletten Anstrich ohne größere Lackschäden.  Mit Sicherheit waren keine blanken Stellen zu sehen, solange sie auf einem Träger stationiert waren. Soweit neben dem dunkelgrünen Anstrich helle Flecken zu sehen sind, handelt es sich um eine nachträglich manuell aufgetragene Tarnung.

Heeresflugzeuge (Bezeichnung: "Ki"+Ziffer, z.B. Ki-44), die vor Ort getarnt wurden, hatten oftmals einen absichtlich unregelmäßigen, lückenhaften Anstrich, der auch anfälliger für Abrieb war. Aber auch hier ist jede Übertreibung im Modell von Übel.

Der Grund dafür, dass umfangreiche Lackschäden als typisch für japanische Flugzeuge angesehen wird, dürfte darin liegen, dass manuell vor Ort unvollständig aufgetragene Farbe als Lackschaden missverstanden wird. "Profiles" übertreiben hier, um dem Modellbauerglauben gerecht zu werden. Das wirkliche Aussehen entnimmt man Fotos.

Es ist also kein unentschuldbarer Kunstfehler, ein Marineflugzeug in makellosem Finish zu zeigen. Im Übrigen sollte man nicht vergessen, dass mit fortschreitender Kriegsdauer die Verluste exponentiell anstiegen, die Maschinen also schneller abgeschossen wurden, als sie Gebrauchs- und Alterungsspuren ansetzen konnten.

Natürlich gab und gibt es immer und überall Ausnahmen (z.B. bei einigen Flugbooten, wo ohne Grundierung lackiert worden war und deshalb Lackschäden auftreten konnten). Sie sollten aber nicht verallgemeinert werden.

Empfehlenswert zu Farben allgemein:

http://www.j-aircraft.com/research/colormix.htm

Empfehlenswert zu Lack/Qualität: http://www.j-aircraft.com/research/weathering_question.htm
Farben: http://members.aol.com/reishikisenguy/accolors.htm
Early A6M2 colours http://modelingmadness.com/earlya6mcolors.htm

 



     
Kamikaze:

 

 
     
Ki 84 special attack unit
Propagandafoto Kamikazepiloten

A6M5 201 wing

Ki-84 der "57. Spezialangriffseinheit" (Heer), Chiran 1945

 

A6M5 des Geschwaders 201 (Marine), Mabalacat 25.10.44

Zeichnung: Srecko Bradic

 

Zeichnung: Srecko Bradic


 
 "Kamikaze" (Götterwind) war in Japan ein allgemeiner Ausdruck  für die göttliche Errettung Japans (zurückgehend auf zwei durch Stürme verhinderte Invasionsversuche der Mongolen im 13. Jahrhundert). Für Selbstopfereinsätze wurde dieser Begriff in Japan nicht verwendet. Sie wurden "Tokko Tai" oder "Shimpu" (Spezialangriff) genannt.
 
Es keinen Befehl des Tenno zum Selbstopfereinsatz. Das japanische Staatsoberhaupt, der Tenno, hatte, obwohl im Westen so bezeichnet, keineswegs die Stellung oder gar die Macht eines Kaisers. Als Abkömmling der Sonnengöttin Amaterasu  angesehen, genoss er göttlichen Status. Er war spirituelles Oberhaupt Japans und Repräsentationsfigur. Sich an der Politik zu beteiligen,  war unter seiner Würde.
 
Der Gedanke, die drohende Niederlage durch Einsatz des eigenen Lebens zu retten, kam ursprünglich aus der Truppe selbst. Aus der Erkenntnis, gegen die quantitative und qualitative Übermacht des Gegners  mit konventionellern Mitteln nichts mehr ausrichten zu können. Dem unausweichlichen Tod einen Sinn zu geben. 
 
Im weiteren Verlauf konnte die Beteiligung verschiedene Ursachen haben:

 

  • Überzeugung, nur noch so die Schmach einer Niederlage abwenden zu können.
  • Patriotische Begeisterung (vorwiegend Studenten und Mittelschüler).
  • Unentschlossene, die sich der Mehrheitsmeinung anschlossen.
  • Ablehnende, die aber nicht als Feigling geächtet werden wollten.
  • Psychologischer Druck.
  • Befehl.

Näheres hierzu auf Seite K



 

Vermischtes:

1.

Einheiten des japanischen Heeres waren organisatorisch und faktisch streng von Einheiten der Marine getrennt. In der Praxis herrschte ausgesprochene Rivalität.  Die Operationsgebiete von Heer und Marine unterschieden sich deshalb grundlegend  (Heer Neuguinea und Umfeld, Marine Zentralpazifik).

   
2. Das eigene Territorium wurde bestimmt durch die Flugzeugreichweite. Verfügte ein japanischer Stützpunkt über keine, konnte sie, da von ihr keine Gefahr ausging, übersprungen werden ("Inselspringen").
   

3.

Der allgemeine Kriegsverlauf war dem der deutschen Wehrmacht vergleichbar: Auf Blitzsiege folgte ein Abnutzungskrieg, dem Japan personell und materiell nicht gewachsen war. Die Schlacht um Midway ist dabei dem Halt vor Moskau, die Schlachten um Guadalcanal Stalingrad vergleichbar. 

Auf dem Gebiet der Heeresstreitkräfte gab es keine so spektakuläre Schlacht. Hier herrschte auf amerikanischer Seite mühsames Vorwärtskämpfen vor, wobei die klimatischen Verhältnisse den Soldaten mitunter mehr zu schaffen machten, als der Gegner.

   
4. Als ab Mite 1944 weite Teile des Pazifiks in amerikanischer Hand waren, waren japanische Rest-Einheiten im Südpazifik vom Nachschub - und damit auch von Lebensmitteln - abgeschnitten.  Fälle von Kannibalismus sind nach dem Krieg bekannt geworden.
   
5. Abschüsse auf japanischer Seite wurden nicht dem jeweiligen Piloten, sondern der Einheit zugerechnet. Da es kein Verfahren zur Anerkennung eines Abschusses gab (das Wort des Piloten genügte), sind alle diesbezüglichen Zahlen Näherungswerte.  
   

6.

Ab Herbst 1943 stiegen die japanischen Verluste exponentiell an. Zwar konnte der Verlust an Gerät teilweise kompensiert werden, die Ausbildung der Piloten aber musste kontinuierlich verkürzt werden, um den notwendigen Ersatz zu erhalten. Dem entsprechend stieg die Verlustrate aufgrund mangelnder Einsatzreife nochmals.

   
7. Bis weit in das Jahr 1942 hinein flogen die kompromisslos auf Angriff gedrillten japanischen Piloten ohne Fallschirm (nach dem Selbstverständnis der Piloten unnötig und behindernd). Erst aufgrund steigender Verluste und obrigkeitlichem Nachdruck fand er allgemeine Verwendung.
   
8. Japanische Flaggen auf dem Oberarm wurden erst 1945 eingeführt, als japanische Zivilisten einen am Fallschirm gelandeten Piloten als vermeintlichen Amerikaner erschlagen hatten.
   
9. Neben der Beschussanfälligkeit waren ein weiteres Manko der A6M Zero ihre Steuerkräfte, die linear mit der Geschwindigkeit anstiegen (so mancher Kamikaze, der senkrecht ins Wasser stürzte, war nicht etwa abgeschossen worden, sondern vom Piloten nicht mehr steuerbar). Saburo Sakai hatte deshalb eine Verlängerung des Steuerknüppels eingebaut; nach seiner Aussage bis ca. Brusthöhe.

Zu diesem Thema sehr empfehlenswert:  http://www.j-aircraft.com/index.htm